Die Städtische Galerie Esslingen zeigt Good Space – Communities, oder das Versprechen von Glück: 14 Positionen vor allem jüngerer internationaler Gegenwartskunst. Galeriechef Andreas Baur erläutert die Schau, die im Viererteam konzipiert wurde. Die Fragen stellt Petra Mostbacher-Dix für das Stuttgarter Magazin SuR (Heft 52, Sommer 2019).

Das gesamte Interview können Sie hier herunterladen.

 

Good Space soll Ausstellungsessay sein…

Ja! Es geht weder um ein soziologisches Projekt, noch wird kulturhistorisch dargelegt, wie sich der Begriff Gemeinschaft gewandelt hat. „Good Space“ ist ein spielerisch sinnlicher und erfahrungs-intensiver Ausstellungsparcours. Er zielt auf punktuelle, tiefgreifende Auseinandersetzungen und das Erleben von Wir-Gefühlen auf unterschiedlichste Weisen. Da geht es um Faszinationen für die Architekturen fiktiver Gemeinschaften in abgelegenen Gebieten, frei von den Zwängen städtischer Ordnung. Oder um Architekturen von Macht, wobei die Folgen des Kolonialismus für die angestammten Gesellschaften thematisiert und deren Konsequenzen protokolliert werden.

 

Das heißt?

Die Idee, unser Leben sei frei, selbstbestimmt und voller Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung, wird als ein vermeintlich allgemeingültiges Glücksversprechen infrage gestellt. Wir werden etwa aufgefordert, das Recht der Tiere auf ein selbstbestimmtes Leben uneingeschränkt zu respektieren, womit das Mensch-Tier-Verhältnis überhaupt in den Fokus rückt. Wir werden Zeugen paradoxer Beziehungsszenen, von Wohnkonzepten im Kontext brutalistischer Architekturen, bekommen Hinweise, dass Filme nicht nur im Kinosaal für starke Gemeinschaftserlebnisse sorgen. Auch begleiten wir die kleine, isolierte Gemeinschaft einer U-Boot-Besatzung.

 

Docken Sie an die Schau von 2016 an?

Damals stand das Potenzial der städtischen Brachen und ungenutzter Räume im Fokus. Nun wird gefragt, wie diese belebt werden, das Zusammenleben und das Funktionieren von Gemeinschaften thematisiert. Seit 2016 haben sich unsere Gesellschaften durch Zuwanderung und Migration, insbesondere durch die politischen Reaktionen darauf erheblich verändert.

 

Glücksbücher sind Bestseller. Wie können Communities beglücken, trotz Wohnraummangels und Rechtspopulismus?

Die Frage nach dem Glück ist auch eine Art Geschäftsmodell, gerade die Ratgeber-Literatur. Da wird ein schier endloser Sehnsuchtshorizont aufgezogen. Diesem Trend machen wir uns nicht gemein. Gesellschaftliche Vielfalt realisiert sich nicht in Gestalt unverbundener, monokultureller Inseln, vielmehr in Kontakt, Austausch, Miteinander. Der Zusammenhalt von Gemeinschaften zeichnet sich durch Verbindendes aus, seien dies geteilte Wertvorstellungen oder Identitätsentwürfe, Normen oder Regeln. Diesem inhärent ist immer auch Ab- und Ausgrenzung. Die Frage, was das „Wir“ bestimmt, ist brisant – auch politisch. Unser Ausstellungsessay versteht sich als Plädoyer für ein Miteinander, das durch Neugier, Respekt und Wertschätzung geleitet ist, Bedürfnisse ständig neu definiert und Differenzen aushandelt. Damit stiftet er vielleicht tatsächlich eine Basis für nachhaltiges und sicher friedvolles Zusammenleben.

 

Zu sehen ist das in der Villa Merkel und deren Park, im 19. Jahrhundert gebaut als Residenz eines Industriellen, und in einem Teil der nahen EAW Hallen, früher Heimat der Königlich Württembergischen Eisenbahnwerkstätten. Wie schwer ist es, solch ein Tableau mit Biennale-Potenzial zu bespielen?

Die Hallen sind herausfordernd, ein sehr spezieller Spielort: unrenoviert, ruppig – beeindruckend. Wir wollen ihn nicht verstellen, gehen entsprechend zurückhaltend damit um. Wo aber die Projektoren aufhängen? Wie die Lichtverhältnisse optimieren? Wo können wir eine kleine Cafeteria einrichten? Was wird dort angeboten, etwa eingeweckte Alb-Linsen oder Gemüsesüppchen im Glas? Wer ist bereit zum Schulterschluss, um Begleitveranstaltungen zu realisieren? Etwa Musik, die vielfältig Gemeinschaften stiftet bis hin zum Nachhall, der Konzertbesucherinnen und -besucher noch lange danach verbindet. Die Ausstellung wird uns sicher selbst wie das Publikum überraschen. Darauf freuen wir uns sehr. Nebenbei sind dort Räume erlebbar, die mit der Industriegeschichte der Stadt und des gesamten Südwestens verbunden sind; Teil eines Kulturraums, der bis heute geprägt ist durch unterschiedlich motivierte Zuwanderung und die Koexistenz verschiedenster Communities.

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Eine Antwort zu “”

  1. Bernd Ramming sagt:

    Ganz einfach…. großartig!!!

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